Wegweiser, Pilger und Quartiere am Jakobsweg #08

Die Jakobsmuschel weist den Weg.Lies mehr…

8. Wegweiser, Pilger und Quartiere

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Verlaufen kann man sich am Jakobsweg kaum. Alle paar Meter sind an allen möglichen Stellen kleine gelbe Pfeile aufgemalen. Am Gesteig, auf der Straße, an Mauern oder Häuserfassaden und Straßenschildern. Und wenn der Weg durch einen größeren Ort oder eine Stadt geht, dann findet man oft in den Pflastersteinen eingelassene Jakobsmuscheln aus Metall oder Stein, die den Weg weisen. Manchmal sieht man auch das Zeichen der Jakobsmuschel als Zaun- oder Fassadendekoration. Langläufig besteht der Glaube, dass Pilger als Erkennungszeichen ihrer Pilgerschaft eine Jakobsmuschel auf ihren Rucksack anbringen. Diesen Mythos muss ich leider zerstören – ich habe vielleicht eine einzige Pilgerin so gesehen und die hat eher wie eine Touristin gewirkt. Zurück zu den Wegweisern: in regelmäßigen Abständen finden sich auch immer wieder Hinweistafeln, wieviele Kilometer noch bis Santiago zu gehen sind. Das sind immer Zahlen, von denen man glaubt, dass sie nie geringer werden. Aber wenigstens kann man sich nicht verlaufen – irgendwann kommt man durch die gute Beschilderung auf jeden Fall ans Ziel. Nur zwei mal ist es mir passiert, dass ich unbeabsichtigt den Pfeilen gefolgt bin, die eine Alternativroute anzeigten. Der Weg wurde dadurch zwar länger, aber ich wurde beide Male belohnt. Einmal mit dem wunderschönen Kloster Samos und ein andermal mit einem märchenhaften Dörfchen in Galizien.

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Als ich durch einen kleinen Ort ging und den Weg kurz verlassen habe um mich auf einer Bank auszuruhen, ist mir ein Einheimischer nachgelaufen um mir zu erklären, dass ich falsch gegangen sei und der Weg hier nicht weitergehe! Man stelle sich vor, in den Sommermonaten gehen zig tausend Pilger diesen Weg und die Einheimischen sind nicht entnervt beim 1001. Pilger und laufen einem freundlich nach, um mir zu helfen, nicht vom Weg abzukommen! Was für eine Einstellung!

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In Puente la Reina ist mir der Herbergsbesitzer nachgelaufen, als er sah, dass ich abends an seiner Herberge vorbeiging um mich zu warnen, dass in den nächsten Orten keine Herberge offen habe und es bald schon dunkel werde! Unglaublich hilfsbereit. Aber ich habe an diesen Abend beschlossen lieber in dem reizenden Hotel Rural Bidean in dem berühmten Ort zu bleiben, mit dem Luxus einer Badewanne! Wie Achtsam und zuvorkommend doch diese Menschen sind, obwohl dort der sonstige Ansturm der Pilger sicher auch eine Belastung sein muss. In dem Hotel kann ich mich erinnern, dass noch zwei Pilgerinnen einquartiert waren. Mutter und Tochter, wobei die Tochter die gesamte Dauer des Abendessens lang geweint hat. Soweit ich verstanden habe, war es wegen der Schmerzen in den Beinen. Sie war ein ganz schönes Häufchen Elend und die Mutter hat verzweifelt versucht, die Tochter zum Weitergehen am nächsten Tag zu überreden. Ja, da haben sich Tragödien abgespielt.

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Zu der Zeit, zu der ich ging, waren wenige Pilger unterwegs. Das war auch der Grund, warum viele Privatquartiere geschlossen hatten und auch einige Pilgerherbergen. Ich hatte nie ein Problem mit überfüllten Quartieren, sondern ganz im Gegenteil in den großen Schlafsälen konnten wir Pilger uns gut in den verschiedenen Ecken verteilen, sodass etwas Privatsphäre gewahrt werden konnte und das Schnarchen nicht so laut war. Einmal hatten mir die Herren Pilger den Vortritt als einzige Dame in den Duschen gegeben, das war schwer in Ordnung. Aber so gesittetes Verhalten war nur möglich, weil wir so wenige waren. Grundsätzlich bezieht sich die Privatsphäre in Pilgerquartieren nur auf die ca. 3 m3 Luftraum oberhalb des eigenen Stockbettes. Nicht viel für so viele Nächte des Jakobsweges. Ein Privatzimmer oder Hotelzimmer ist da eine herrliche Abwechslung und ein wahrer Luxus. Irgendwie kommt einem alles plötzlich als Luxus vor, was im realen Leben normal scheint.

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Surreal mutete die Begegnung mit dem Filmteam an. Täglich werden im Lokalfernsehen Beiträge vom Jakobsweg geschalten, insbesondere auch Interviews von Pilgern. Auch ich bin auf das Team gestoßen. Irgendwo in einem Wald kam ein historisch verkleideter Pilger, ein Kameramann und eine Mikrofonträgerin auf mich zu, um zu erfahren, warum ich am Jakobsweg gehe. Wir haben ein, zweimal geübt, was ich sagen solle und dann wurde gedreht: „el camino es para mi cabeza y corazon – der Weg für Kopf und Herz.“  Ich konnte nicht viel Spanisch. DSC05630 PilgerOb es ausgestrahlt wurde, weiss ich nicht. Jedenfalls wurde der italienische Eissalonbesitzer Frederico auch irgendwann aufgenommen und gesendet – das haben die anderen zwei Italiener gesehen und erzählt.

Spanisch zu können ist kein Nachteil am Jakobsweg, aber auch ohne Kenntnisse kommt man sehr gut voran. Ich finde es schöner die Sprache der Menschen zu kennen, in deren Land man reist.

 

 

 

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