Wanzen und Wölfe am Jakobsweg #07

Zwei erstaunliche Erkenntnisse habe ich am Jakobsweg gewonnen: Ja, es gibt Wölfe und die interessieren sich auch für Pilger. Und ja, es gibt Bettwanzen – diese traf ich aber im Hotel. Keine einzigen in Pilgerquartieren. Lies mehr…

7. Wanzen und Wölfe am Jakobsweg

 

Alles der Reihe nach: Als ich am dritten Tag des Jakobswegs nach Überwindung der Bergpassagen und einem 7,5 Stundenmarsch mit fürchterlichen Schmerzen in den Beinen in Larrasoaina ankam, fand ich weder ein Privatzimmer noch ein Gasthaus, geschweige denn ein Hotel. Es war schon Abend und an ein Weitergehen nicht zu denken. Das einzige Quartier war eine winzige Herberge, die von der Gemeinde betrieben wurde. Da ist den ganzen Tag „open door“ und am Abend kommt dann eine Gemeindebedienstete um das Nächtigungsgeld zu kassieren und einen Stempel in den Pilgerpass zu geben. Das Quartier bestand aus einem Zimmer mit ein paar Stahlrohr-Stockbetten für ca. 14 Personen, einen Vorraum und einem Waschbereich mit 2 Duschen.DSC05647

Alles ziemlich heruntergekommen. Wir waren eine kleine Gemeinschaft von Pilgern, zusammengeschweißt durch die Tatsache, dass es in diesem Dorf zu dieser Jahreszeit rein gar nichts gab. Ein Abendessen wurde mit Müh und Not von einer Dorfbewohnerin organisiert. Es schien, als sei das Dorf gänzlich ausgestorben. Dort lernte ich erstmalig die drei Italiener kennen, die ich später immer wieder traf und mit zwei von ihnen auch in Santiago de Compostella ankam. Es war ein Vater mit seinem Sohn aus Mailand. Vater Dario und Sohn Tommaso. Der Vater hatte gerade verordnete Betriebsferien und der Sohn das Architekturstudium absolviert. Der dritte Italiener – Frederico – kam aus der Gegend um Köln und war Eisgeschäftbesitzer und das Geschäft war natürlich im November schon geschlossen. Er hatte gerade eine Trennung von seiner peruanischen Frau hinter sich und erhoffte sich, durch den Weg seine Frau zurückgewinnen zu können. Auch drei Schweizer waren im Quartier. Ein Pärchen älteren Semesters, die von Zürich DSC05652losgegangen sind und eine hübsche, junge Schweizerin, die in Bern startete. Die Schweizer waren natürlich schon Vollprofis, da sie so lange unterwegs waren und ein sehr rasches Tempo gehen konnten. Die junge Schweizerin habe ich viel später am 17. Tag in Calzadilla de la Cueza im Pilgerquartier wieder eingeholt, da sie wegen Sehnenscheidenentzündung pausieren musste. Zu dieser Jahreszeit konnte man länger als eine Nacht in einem Quartier bleiben, da nur wenige Pilger unterwegs waren (ansonsten darf man immer nur eine Nacht in einem Pilgerquartier bleiben). Es war dasselbe Quartier, in dem ich das Zweiergespann des mittellosen Ungarn mit dem großen Deutschen mit den vielen Blasen an den Füßen traf. Zurück zu der Schweizerin: sie erklärte in dem kleinen Pilgerquartier in Larrasoaina fast hysterisch, dass sie in diesen Betten nicht übernachten könne und forderte von der Gemeindebediensteten ein frisches Bettzeug. Sie vermutete Bettwanzen und erklärte uns allen wie und wo sie lauerten. SiDSC05648e zeigte an ihren Armen und am Hals die Bissspuren der Wanzen, die sie bereits hatte. Es waren kleine rote Punkte, die hintereinander wie in einer Gasse gebissen zu sehen waren. Na herrlich – und das schon am dritten Tag. Die Gemeindebedienstete verteilte zwei, drei frische Bettüberzüge – die anderen mussten sich mit dem Gegebenen begnügen. Es blieb uns allen nichts anderes übrig. Die Schweizerin legte sich dann tatsächlich mit ihrem Schlafsack auf den Boden aus Angst vor den Wanzen. Aber wir überstanden alle die Nacht ohne Wanzen und es blieb für mich auch die nächsten Tage wanzenfrei.

Bis ich in Logrono in einem Privatquartier (Hostal La Numantina) meine ersten Bissspuren am nächsten Morgen entdeckte. Und dann etwas später in Burgos in dem besten Hotel des Ortes, im Hotel Corona de Castilla. Ich hatte ursprünglich zwei Nächte bleiben und mir den Luxus von einer Badewanne und einem gepflegten Zimmer gönnen wollen, da ich fühlte, dass ich krank werde. Wie zur Strafe, wurde ich mit einer Menge Bettwanzen „belohnt“. Ich entdeckte sie in der Nacht, als ich aufstand und Licht machte um auf die Toilette zu gehen. Ich hatte daraufhin gefühlte 45 min in der heißen Dusche gestanden um mich und mein gesamtes Gewand abzubrühen. Ich hatte die Horrorvorstellung, die Wanzen mit nach Hause einzuschleppen, denn dort bekommt man sie fast nicht mehr los. Ich checkte sofort aus und traute mich nicht eine Beanstandung zu machen, da ich nicht sicher war, ob ich diese Viecher von einem der vorherigen Quartiere eingeschleppt hatte und dann vielleicht noch den Kammerjäger zahlen müsste. Hatte ich sicher nicht, aber in der Situation konnte ich das noch nicht so klar erkennen. Gott sei Dank war das meine letzte Begegnung mit Wanzen. In keinem der Pilgerquartiere hatte ich welche gesehen. Aber ich gebe zu, dass ich mich bei meiner Ankunft zu Hause sofort bis auf die Haut auszog, bevor ich meine Wohnung betreten habe. Meine Sachen habe ich dann entweder im Freien zum „tiefkühlen“ (es war Dezember und hatte schon Minusgrade in Österreich) oder in die Waschmaschine zum auskochen gesteckt. Im Internet kursierten Gerüchte, dass sich Bettwanzen in Koffer, Gewand und auch technischen Geräten verstecken und bis zu 6 Monaten ohne Nahrung auskommen können.

Die Begegnung mit den Wölfen war im Vergleich viel magischer. Zwischen Calzadilla de la Cueza und Sahagun ging ich wieder einmal einen Abschnitt gänzlich alleine. Vor mir keiner, hinter mir keiner und rundherum nur Gegend. Ein Landstrich mit vielen freien Flächen. Man konnte weit sehen. Als ich bei einer Wiese und einem dahinter gelegenen Wäldchen vorbei kam, sah ich plötzlich in knapper Distanz zwei Tiere auf mich zulaufen. Ich identifizierte sie sehr schnell als Wölfe, so schön wie sie waren. Mich hat der erste so eindringlich fixiert und ist so schnell auf mich zugesteuert, dass ich es plötzlich mit der Angst zu tun bekam. Ich begann zu laufen, doch plötzlich merkte ich, dass der Wolf abließ und mit dem zweiten Wolf wieder in den Wald zurück lief. Ich behielt ein schnelles Tempo und im nächsten Ort ging ich sofort in die nächste Bar und bestellte mir ein Bier. Der Wirtin habe ich von meinem Erlebnis erzählt. Sie glaubte mir anfänglich nicht. Auf ihrem Laptop zeigte mir die Wirtin mehrere Fotos von Hunden, Tieren etc. und als ich bei einem Foto sagte, dass die Tiere so ausgesehen haben, dann meinte sie, dann waren es tatsächlich Wölfe. Sie erzählte, dass man wirklich ganz selten auf Wölfe treffe und diese sehr scheu seien. Sie fallen Menschen gewöhnlicherweise nicht an. Eher sei es eine ganz besondere Ehre, wenn man Wölfe treffe, da sie sich nur besondere Menschen aussuchen, denen sie sich zeigen würden. In dem Moment, als der Wolf auf mich zusteuerte, hatte ich aber mehr Schrecken als irgendwelche Glücksgefühle. Die Augen des Wolfs werde ich nie vergessen.

Hunden begegnet man jedoch recht oft am Weg, auch frei herumstreunenden. Aber diese waren bei mir niemals aggressiv oder furchteinflößend. Die Hunde, auf die ich traf, lagen entweder müde dösend herum oder waren hinter Gitter und schauten mich mit traurigem oder verzweifelten Blick an. Kein Vergleich mit meiner Begegnung mit den Wölfen.

WölfeDSC05704DSC05642

Wölfe oder Wanzen? Welche Erlebnisse hattest du?

Möchtest du wissen wie es weitergeht?!

Wir senden dir gern eine Info über neue Beiträge, klick hier MACHnews!

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar